Durch ein Unfallereignis oder aber durch zunehmenden Verschleiß infolge hoher mechanischer Beanspruchung kann es zu einem Riss einer oder mehrerer Sehnen kommen. Die Häufigkeit der Rotatorenmanschettenrisse steigt mit zunehmendem Alter, so dass früher die Ansicht vorherrschte, dass der Rotatorenmanschettenriss ein mit dem Alter vergesellschaftetes Leiden sei, welches keiner besonderen Behandlung bedürfe. Diese Ansicht wurde in den letzten 2 Jahrzehnten widerlegt.
Schädigung der Rotatoren- manschette
Das Schultergelenk wird von einer Muskelgruppe umgeben, die für die Bewegung und die Stabilisierung des Gelenkes eine zentrale Rolle spielen, der sog. Rotatorenmanschette. Die Rotatorenmanschette, und hierbei insbesondere die obere Sehne, die Supraspinatussehne, gleitet unter dem Schulterdach durch einen engen Knochenkanal und ist einer hohen mechanischen Belastung ausgesetzt.
Erfahren Sie mehr über die Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten – von frischen Läsionen durch chronische Belastungen bis hin zu nicht reparablen Rissen der Sehnen mit und ohne Arthrose.

(frische) Läsion der Rotatorenmanschette
Symptome
Anfangs bestehen oft Schmerzen, ganz spontan oder im Anschluss an eine Überbelastung. Die Schmerzen treten zunächst bei Bewegungen auf, später können auch nächtliche Schmerzen hinzukommen. Im Verlauf tritt dann ein Kraftverlust ein bevor allmählich die aktive Beweglichkeit immer schlechter wird. Sturzbedingte Verletzungen der Rotatorenmanschette haben häufig einen akuten Funktionsverlust (Pseudoparalyse) zur Folge.
Diagnostik
In der körperlichen Untersuchung lassen sich einfache Entzündungen von ernsthaften Schäden der Rotatorenmanschette unterscheiden. Erste Hinweise auf einen Sehnenriss erhält der Arzt durch eine Ultraschalluntersuchung.
Abbildung 2: Bei Verdacht auf eine Schädigung der Rotatorenmanschette wird eine MRT-Untersuchung durchgeführt Lokalisation und Ausmaß des Risses zu beurteilen.
Behandlung
Besonders beim älteren Menschen führt eine kurzfristige Schonung mit anschließender Physiotherapie über einige Wochen in vielen Fällen zu einer Rückbildung der Beschwerden. Auch eine Kortisonspritze kann zu einer Linderung der Schmerzen führen. Bei einem unvollständigen Sehnenriss kann die Injektion von eigenem Blutplasma, das die körpereigenen Heilungs- und Wachstumsfaktoren in einer hohen Konzentration enthält (ACP = Autologes Conditioniertes Plasma), zu einer Heilung und damit zur Vermeidung einer Operation führen.
Bei einem nachgewiesenem Sehnenschaden sollte aber spätestens nach 3 Monaten, beim Auftreten von Bewegungseinschränkungen und vor allem beim jüngeren und aktiven Menschen auch schon früher, eine Operation in Erwägung gezogen werden.
Operation
Der Eingriff wird heute in der Regel arthroskopisch, das heißt in "Schlüssellochtechnik" durchgeführt. Beim Eingriff wird die Knochenkante des Schulterdachs abgefräst, um die knöcherne Passage für die Rotatorenmanschette zu erweitern. Anschließend werden die gerissenen Sehnen mit kleinen Fadenankern wieder am Knochen befestigt, wo sie dann in den nächsten Wochen wieder anheilen sollen.
Nachbehandlung
Die Behandlung nach einer chirurgischen Sehnennaht ist zeitaufwändig und setzt Verständnis und Mitarbeit des operierten Patienten voraus. Je nachdem wie groß der Riss war, ist eine Ruhigstellung in einem Schulterkissen über drei bis sechs Wochen notwendig. Das Kissen darf in dieser Phase nur zur Krankengymnastik und zur Körperpflege abgelegt werden, um zu verhindern, dass die Sehne wieder abreißt. Die Physiotherapie zuhause erfolgt dann nach einem individuellen, durch den Operateur festgelegtem Schema über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten.
Ergebnisse und Risiken
In über 80% der Fälle führt die Operation zum Erfolg ohne oder mit nur geringen Restbeschwerden. Ein Nicht-Einheilen der Sehnen ist vielfach auf eine verspätete Operation (>6 Monate nach Riss) oder auf einen sehr ausgedehnten Schaden zurückzuführen. Komplikationen der Operation (örtliche Entzündung, Gelenkinfektion oder eine Schädigung von Nerven- oder Blutgefäßen) sind selten - die Komplikationsrate liegt insgesamt bei etwa 5%.
Nicht reparable Schädigung der Rotatorenmanschette ohne Arthrose
Bei chronischen, nicht reparablen Sehnenschäden der Rotatorenmanschette ohne Arthrose (Keine Defekarthropathie, siehe dort) können zur Symptomlinderung andere Optionen helfen. Ist es zu spät für eine Sehnenrekonstruktion, aber zu früh für eine Prothesenimplantation, gibt es Alternativverfahren.
Symptome
Durch die Sehnenschäden können bei erhaltener Beweglichkeit der Schmerz das Leitsymptom sein. Dies ist verursacht durch einen immer wiederkehrenden Kontakt des Oberarmkopfes am Schulterdach durch die fehlende Zentrierung des Kopfes in der Gelenkpfanne.
Bei Schäden der Außenrotatoren (Infraspinatus, Teres minor) kommt es neben Schmerzen zur Unfähigkeit, den Arm nach außen zu drehen bzw. den nach außen gedrehten Arm in dieser Position zu halten (Außenrotations-Lag-sign). Ist jedoch der Innenrotator (Subscapularis) betroffen kann die Hand schlecht oder nicht mehr nach hinten ans Gesäß geführt werden.
Abbildung 1: Rotatorenmanschetten-Massenriss (Supra- und Infraspinatussehnen) mit Dezentrierung des Oberarmkopfes.
Diagnostik
Neben der genauen klinischen Untersuchung zeigt das MRT das exakte Schadensausmaß der Rotatorenmanschette. Weiterhin kann der Status des Gelenkknorpels im MRT beurteilt werden.
Behandlung
Primär wird mit Physiotherapie versucht, die noch erhaltenen Sehnen zu kräftigen, um so die Funktion der Schulter wiederherzustellen. Bei anhaltenden Schmerzen und einer relevanten Funktionseinbuße kann eine Teilrekonstruktion der Rotatorenmanschette zusammen mit einer Kaspselrekonstruktion erfolgen. Ziel ist die Re-Zentrierung des Oberarmkopfes und damit die Wiederherstellung der Funktion.
Operation
Bei persistierenden Schmerzen kann zur Schmerzreduktion eine Rekonstruktion der oberen Kapsel erfolgen, um ein Höhertreten des Oberarmkopfes gegen das Schulterdach zu verhindern und so die Schmerzen zu eliminieren. Das nennt man superiore Kapselrekonstruktion (SCR, Abbildung 2) und man verwendet hierzu einen Gewebeflicken (Patch).
Liegt zusätzlich zu den Schmerzen eine Funktionseinschränkung der Außendrehung vor (bei Läsion der Infraspinatussehne) kann eine Transposition der Sehne des Latissimus-dorsi Muskels durchgeführt werden (Abbildung 3). Das Ziel dieser Operation ist es, die Außenrotationsfähigkeit im Schultergelenk wieder herzustellen. Die Sehne wird von der originalen Ansatzstelle auf die ehemalige Ansatzstelle des Infraspinatus versetzt. Bei Verlust des Subscapularis wird die Sehne des Pectoralis-Major Muskels anlog versetzt.
Nachbehandlung
Der Arm wird für 3-6 Wochen auf einem Abspreizkissen gelagert und täglich für 6 Wochen durch die Physiotherapie passiv mobilisiert. Der Einsatz eines Bewegungsstuhls ist zu empfehlen. Ab der 7. Woche beginnt die aktive Beübung, Schreibtischarbeit ist nach wenigen Wochen, körperliche Arbeit frühestens nach 3 bis 6 Monaten möglich.
Ergebnisse und Risiken
Die Nachbehandlung der vorgestellten Verfahren ist langwierig, lohnt sich aber gerade bei jüngeren Patienten, um die Implantation einer inversen Prothese zu verzögern.
Nicht reparable Schädigung der Rotatorenmanschette mit Arthrose (Defektarthropathie)
Im Laufe des Lebens treten bei fast allen Menschen Verschleißerscheinungen an der Rotatorenmanschette auf. Diese Veränderungen sind zunächst meist klinisch stumm, das heißt die Betroffenen bemerken diese Veränderungen zunächst nicht. Die chronische Schädigung der Rotatorenmanschette ist ein meist langsam fortschreitender Prozess, der durch die anderen, noch intakten Sehnen der Rotatorenmanschette kompensiert werden kann. Bei einer Schädigung der Supraspinatussehne (am häufigsten) wandert der Oberarmkopf langsam nach oben, da kein Widerlager mehr vorhanden ist (Abbildung 1).

Symptome
In einer klinischen Untersuchung fällt meist ein Kraftdefizit beim Anheben des betroffenen Armes auf. Stößt der Oberarmkopf an das Schulterdach an, kann es zu einer Reizung des Schleimbeutels ähnlich wie bei einem Impingementsyndrom kommen. Andererseits ist aufgrund des Höhertretens des Oberarmkopfes die Biomechanik im Schultergelenk verändert und der Arm kann nicht mehr vollständig nach oben geführt werden. Dies kann bis zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit, einer sog. Pseudoparalyse, führen.
Diagnostik
In einer sonographischen Untersuchung kann ein geübter Arzt das Ausmaß der Schädigung der Rotatorenmanschette bereits abschätzen. Der Goldstandard in der Diagnostik stellt die MRT-Untersuchung dar. Hier lassen sich der Zustand der Rotatorenmanschette sowie das Ausmaß des Höhertretens des Oberarmkopfes am zuverlässigsten beurteilen.
Behandlung
Die Ursache und Ausmaß der Schädigung, das Patientenalter, Schmerzsymptomatik, Funktionsverlust und ‑anspruch bestimmen die Therapie einer chronischen Rotatorenmanschädigung. Die degenerativen Schädigungen werden zunächst mit physiotherapeutischer Beübung und Eigentherapie über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten behandelt. Ist eine Beübung aufgrund von Schmerzen nicht möglich, stehen uns neben den klassischen oralen Schmerzmedikamenten auch Injektionen zur Verfügung, die ganz lokal wirken und damit nebenwirkungsarm sind. Bestehen nach Ablauf der konservativen Therapie weiterhin Schmerzen sowie eine Einschränkung in Bewegungsumfang, Kraft oder Funktion, so kann eine elektive operative Therapie diskutiert werden.
Operation
Liegt eine fortgeschrittene Defektarthropathie vor, besteht die Möglichkeit der Implantation einer sog. inversen Schulterprothese (Abbildung 2). Hierbei wird eine Halbkugel auf die ursprüngliche Pfanne aufgeschraubt und eine konkav geformte Humeruspfanne in den Oberarm fixiert. Der Oberarm wird dadurch nach unten verlagert, wodurch der Deltamuskel wieder in der Lage ist, den Arm nach von und seitlich anzuheben.
Nachbehandlung
Der Arm wird für 2-3 Wochen auf einem Abspreizkissen gelagert und täglich durch Physiotherapie mobilisiert. Auf Wunsch und nach Bewilligung durch die Krankenkasse kann 4 Wochen nach dem Eingriff eine Anschlussheilbehandlung in einer Rehabilitationsklinik angeschlossen werden. Etwa 6 Wochen nach der Operation kann der Arm im täglichen Leben wieder annähernd normal eingesetzt werden. Eine krankengymnastische Übungsbehandlung zum Muskelaufbau ist meist für 6 Monate sinnvoll.
Ergebnisse und Risiken
Im Normalfall kann eine schmerzfreie Einsatzfähigkeit des Armes bis zur Schulterhöhe erzielt werden. Bewegungen darüber hinaus sind bei guter muskulärer Führung nach intensivem Eigentraining möglich. Komplikationen bei Operationen sind selten, in etwa 5% der Fälle werden Nachblutungen, Knochenverletzungen oder Schädigungen von Blutgefäßen oder Nerven beobachtet, die sich in der Regel jedoch zurückbilden. Bei unvorsichtiger Rehabilitation in der Frühphase kann es zu einer Verrenkung der Schulter oder zu einem Abriss der Muskulatur kommen. Im Verlauf sind Prothesenlockerungen und auch Spätinfekte (ca. 5%) möglich. 12-15 Jahre nach der Operation sind aber noch über 80% der Schulterprothesen stabil und funktionsfähig.
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