Endoprothetik der Schulter

Schultergelenkverschleiß (Omarthrose) und Gelenkersatz (Prothese)

Abb. 38: Röntgenbild einer Omarthrose

Verschiedene Schultergelenkserkrankungen können den Einbau eines künstlichen Schultergelenkes erforderlich machen. Der Anlass für solch einen Eingriff sind neben den sichtbaren Veränderungen des Gelenkes im Röntgenbild oder Kernspin die Beschwerden des Patienten, wobei in erster Linie der starke Ruhe- und Belastungsschmerz zu nennen ist, der eine mehr oder weniger regelmäßige Einnahme von Medikamenten erforderlich macht.

Gelenkersatz

Schultergelenksprothesen gibt es nunmehr seit 50 Jahren. Gerade in den letzten 15 Jahren hat die Schulterendoprothetik große Fortschritte gemacht. Bei der schmerzhaften Zerstörung des Schultergelenkes durch Arthrose (Gelenkverschleiß), Rheumatoide Arthritis (rheumatische Gelenkentzündung), Oberarmkopfnekrose (Absterben des Oberarmkopfes), oder Oberarmkopfbruch, ist es heute mit gutem Erfolg möglich, die Gelenkflächen von Oberarmkopf und Schulterpfanne durch Prothesen aus Titan und Polyethylen zu ersetzten. Die Indikation zur Implantation einer Schultergelenksprothese wird gestellt bei:

  • starken destruierenden Veränderungen des Gelenkes im Röntgenbild und/oder in der Kernspintomographie/Computertomographie
  • starkem Ruhe- und Belastungsschmerz
  • deutlicher Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes.
Abb. 39: moderne drei-dimensional einstellbare Schulterprothese
Abb. 40: Röntgenbild einer neuartigen schaftfreien Schulterprothese (Typ Eclipse)

Arthrose (Omarthrose)

Der klassische Verschleiß des Schultergelenkes tritt im Vergleich zum Hüft- und Kniegelenk beim älteren Menschen seltener auf. Hierbei erfolgen eine Zerstörung des Gelenkknorpels und die Deformierung der Gelenkflächen, die zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes führen.

Rheumatoide Arthritis

Das Schultergelenk wird häufig im Verlauf einer rheumatischen Erkrankung befallen. Die operative Therapie orientiert sich am Verlauf der Erkrankung. Im Stadium der Gelenkentzündung mit hauptsächlichem Befall der Weichteile (Gelenkschleimhaut, Gelenkkapsel, Rotatorenmanschette) ist ein arthroskopisches Debridement (d.h. die Entfernung des geschädigten Gewebes) mit Entfernung der Gelenkschleimhaut (Synovia) und des Schleimbeutels das Verfahren der Wahl.

Schreitet die Erkrankung jedoch weiter fort und greift auf den Gelenkknorpel und Knochen über, so sollte möglichst frühzeitig eine Prothese eingesetzt werden. Im frühen Stadium lässt sich dann eine so genannte Cup-Prothese einsetzen (Abb. 41).

Abb. 41. Röntgenbild einer Cup-Prothese
Abb. 42b: Röntgenbild nach Eclipse-Prothese

Oberarmkopfnekrose

Durch Medikamente (z.B. Cortison), übermäßigen Alkoholgenuss, als Unfallfolge oder andere noch nicht bekannte Ursachen kann es zu einer Minderdurchblutung des Oberarmkopfes kommen. Dies hat ein Absterben der Knochenzellen zur Folge, das zu einer Deformierung des Oberarmkopfes mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung führt. Bei dieser Erkrankung reicht bei frühzeitigem Eingreifen eine Oberarmkopfprothese aus. Erst wenn durch die Inkongruenz der Gelenkflächen auch die Gelenkpfanne mitbetroffen ist, muss eine zusätzliche Pfannenkomponente implantiert werden.

Abb. 42a: Röntgenbild einer Oberarmkopfnekrose

Fortgeschrittener Knorpelschaden

Bei jüngeren Patienten mit umschriebenen schweren Knorpeldefekten, die ohne Behandlung zur schweren Arthrose führen, werden so genannte Teil-Gelenkflächen (Hemi-CAP®) in die defekte Knorpelzone geschraubt (Abb 43).

Abb. 43: Röntgenbild nach Hemi-CAP

Defektarthropathie

Bei etwa 4 Prozent der Patienten mit unbehandelter Rotatorenmanschettenmassenruptur (mindestens 2 gerissene Sehnen der Rotatorenmanschette) entwickelt sich eine Arthrose des Schultergelenkes.

Bei der Rotatorenmanschettenmassenruptur verlagert sich der Oberarmkopf nach vorne-oben und verliert somit seine „Zentrierung“ in der Gelenkpfanne. Zusätzlich kommt es hierbei zu einer Verkürzung und Schwächung des M. deltoideus, der im Fall der Rotatorenmanschettenmassenruptur noch eine Seithebung des Armes ermöglicht.

Abb. 44 : Defektarthropathie
Abb. 45: Röntgenbild einer Defektarthropathie

In diesem Fall kann das Gelenk durch ein so genanntes inverses Prothesen-System nach Prof. Paul Grammont ersetzt werden. Hierbei wird eine „Halbkugel“ (Glenosphäre) auf die ursprüngliche Pfanne aufgeschraubt und eine konkav geformte „Humeruspfanne“ im Oberarmknochen fixiert. Der Oberarm wird dadurch wieder nach „unten“ verlagert und die Funktion des M. deltoideus wird verbessert.

Abb. 46: inverse Delta-III-Prothese nach Grammont
Abb. 47: Implantierte inverse Totalendoprothese nach Grammont
Abb. 48 Röntgenbild nach Implantation einer inversen Totalendoprothese nach Grammont

Behandlungsziel

Ziel des Gelenkflächenersatzes ist die Schmerzreduktion sowie die verbesserte Schultergelenksfunktion. Die postoperative Schulterbeweglichkeit ist jedoch abhängig vom Zustand der Gelenk führenden Weichteile (Muskulatur, Sehnen, Gelenkkapsel). Hat über einen langen Zeitraum eine Bewegungseinschränkung bestanden, verkürzen sich die Sehnen sowie die Gelenkkapsel, so dass trotz des Schultergelenksersatzes keine vollständig freie Schulterbewegung erzielt werden kann. Daher ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt der Operation abzupassen: Nicht zu lange den Gelenkersatz hinauszögern, aber auch nicht zu früh eine Prothese implantieren.

Operationstechnik

Abb. 49: Freigelegter Oberarmkopf

Zunächst erfolgt ein Hautschnitt von etwa 12 cm Länge. Das Schultergelenk wird freigelegt.

Anschließend wird der zerstörte Oberarmkopf entlang der Schnittlinie entfernt und der Oberarmschaft für die Aufnahme des Prothesenschaftes vorbereitet.

Danach wird zunächst eine Probier-Oberarmkopfprothese eingesetzt, um den optimalen Sitz der Prothese und die Gelenkfunktion zu prüfen. Hierbei wird ebenfalls die Größe des definitiven Prothesenschaftes und des definitiven Prothesenkopfes festgelegt. Nach Entfernung der Probierprothese wird die definitive Prothese unzementiert oder zementiert eingesetzt (Abb. 50,51).

Abb. 50: Implantation der Prothese
Abb. 51: Implantierte Schaftprothese
Abb. 52: Bevor der definitive Prothesenkopf auf den Prothesenschaft gesetzt wird, erfolgt die Darstellung und Vorbereitung der Schultergelenkspfanne zur Aufnahme der Pfannenprothese.
Abb. 53 Implantierter Pfannenträger

Nach der Befestigung des metallenen Pfannenträgers in der Schultergelenkspfanne mit Hilfe einer Hohlschraube wird das Polyethylen-Inlay verankert (Abb. 54).

Abb. 54

Nach Abschluss des Schultergelenkspfannenersatzes wird nun der definitive Prothesenkopf auf den Prothesenschaft gesetzt (Abb. 55).

Abb. 55

Das Schultergelenk wird nun wieder „eingerenkt“, und die Muskulatur sowie die Haut werden genäht.

Abb. 56 Röntgenbild nach Prothesenimplantation

Nachbehandlung

Während der ersten beiden postoperativen Tage wird das Schultergelenk in einem Schlauchverband ruhiggestellt. Anschließend wird für 3 Wochen ein Abduktionskissen angelegt.

Am ersten Tag nach der Operation beginnt die frühfunktionelle physiotherapeutische Behandlung, wobei das Schultergelenk die ersten 6 Wochen noch nicht frei bewegt werden darf. Danach wird nach den individuellen Gegebenheiten die freie Beweglichkeit unter zunehmender Belastung trainiert.

Wir empfehlen unseren Patienten eine 3-4 wöchige Rehabilitation in einer von uns ausgewählten Reha-Klinik, so dass eine verlässliche Nachbehandlung garantiert ist.

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit erstreckt sich je nach Beruf auf mindestens 6 Wochen. Nach Schulterprothesenimplantation sollten Überkopfsportarten vermieden werden.