Posterosuperiore Rotatorenmanschettenläsionen, d.h. degenerative oder traumatische Rupturen der Supra- und Infraspinatussehne, führen zu individuell unterschiedlich ausgeprägten Beschwerden, die sich in Ruhe- und Belastungsschmerzen, Kraftminderung und Bewegungseinschränkungen bis hin zur Pseudoparalyse äußern können. Die arthroskopische Rekonstruktion der Defekte kann zu einer Wiederherstellung der Integrität der Rotatorenmanschette und dadurch zur Beschwerdefreiheit und zur Restauration der Schulterfunktion führen.
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Indikationen
- primär bei traumatischen Rupturen bis ins 6. Lebensjahrzehnt
- bei degenerativen Läsionen mit Therapieresistenz über 12 Wochen mit persistierenden Beschwerden und/oder funktionellen Einbußen
Kontraindikationen
- bei fortgeschrittener primärer oder sekundärer Omarthrose
- bei relevanter passiver Bewegungseinschränkung (Schultersteife)
- bei Humeruskopfhochstand und einem akromiohumeralen Abstand unter 6 mm
- bei Atrophie Grad 3 und 4 (nach Thomazeau) und fettiger Durchsetzung der Muskelbäuche
Behandlungsmethode
Präoperativ
Die klinische Befunderhebung beinhaltet:
- das Vorliegen muskulärer Atrophien des Musculus (M.) supraspinatus und des M. infraspinatus,
- eine Analyse der aktiven Beweglichkeit mit etwaigen Ausweichbewegungen,
- eine orientierende neurologische Untersuchung zum Ausschluss (zusätzlicher) (pseudo-)radikulärer Symptome und Ausfälle,
- das passive Bewegungsausmaß,
- das Vorliegen von Impingementzeichen,
- differenzierte Funktionstests für die einzelnen Muskeln der Rotatorenmanschette: Empty- und Full-Can-Test für den M. supraspinatus, Außenrotationsstress für den M. infraspinatus und Lift-off-Test für den M. subscapularis,
- Muskelinsuffizienzzeichen (ein positives AußenrotationsLag-Zeichen bei chronischer Supraspinatus- und Infraspinatusläsion spricht gegen eine Rekonstruierbarkeit der Sehne.
Bildgebende Verfahren beinhalten:
- Nativröntgenaufnahmen in anteroposteriorer Projektion (true a.-p.), in Neutralstellung und Innen- sowie Außenrotation zur Erkennung arthrotischer Veränderungen und von Überlastungszeichen am Tuberculum (Tub.) majus, Beurteilung der Zentrierung und eine Y-Aufnahme zu Erkennung eines Akromionsporns
- Sonographie als Screeningmethode zur Erkennung und quantitativen Einschätzung einer Rotatorenmanschettenläsion
- Nativ-MRT (Magnetresonanztomographie) zur Beurteilung, welche Sehnen betroffen sind, ob frische traumatische Läsionen vorliegen oder ob bereits sekundäre muskuläre Veränderungen (Atrophie und fettige Durchsetzung) eingetreten sind
Chirurgischer Eingriff
Postoperativ
Im Operationssaal wird dem Patienten ein 40-Grad-Abduktionskissen angelegt, das bei spannungsarmer Rekonstruktion einer Sehne für 3 Wochen, bei 2 Sehnen für 6 Wochen getragen werden muss. Eine postoperative Röntgenkontrolle der Schulter in a.-p.- und Y-Projektion dokumentiert die korrekte Lage der Fadenanker. Vom ersten Tag an werden passive und aktiv-assistive physiotherapeutische Übungen freigegeben, die im schmerzfreien Bereich und in Zugrichtung der rekonstruierten Sehnen ausgeführt werden. Passive Bewegungen gegen die Zugrichtung sind streng zu vermeiden. Nach 6 Wochen wird der Arm zum Einsatz im täglichen Leben unterhalb der Schmerzschwelle freigegeben; ab diesem Zeitpunkt kann mit einem isometrisch-isokinetischen Muskelaufbautraining begonnen werden. Eine Vollbelastung, auch im Sport, ist nach 3–6 Monaten möglich.
Funktionelle Resultate
Das definitive Resultat nach einer arthroskopischen Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist etwa 6 Monate nach dem Eingriff zu erwarten. Die subjektive Zufriedenheit der Patienten 2 Jahre nach der Operation liegt zwischen 80 % und 90 %. Die Einheilungsrate der rekonstruierten Sehnen liegt zu diesem Zeitpunkt sonographisch und im MRT kontrolliert zwischen 70 % und 90 %. Klinische Ergebnisse und die Rate der strukturellen Einheilung sind bei traumatischen und degenerativen Läsionen identisch. Risikofaktoren für eine ausbleibende Sehnenheilung sind u. a. die Größe des Defektes, d. h. die Anzahl der geschädigten Sehnen, der Retraktionsgrad und die muskuläre Atrophie, ein Lebensalter über 65 Jahre und Nikotinabusus. Auch ohne komplette strukturelle Sehnenheilung ist die postoperative Zufriedenheit hoch. Dies liegt u. a. an den begleitenden chirurgischen Maßnahmen wie Dekompression, Tenotomie der langen Bizepssehne, Bursektomie etc. Schmerz und Bewegungsausmaß bessern sich signifikant, nur die Kraftminderung bleibt in vielen Fällen bestehen. Im Langzeitverlauf kommt es nach offener Rekonstruktion dennoch häufig zu sekundär arthrotischen Veränderungen.
Komplikationen
Intraoperative Komplikationen
Intraoperative Komplikationen sind selten.
- Blutungen können die Übersicht erheblich erschweren und eine adäquate Rekonstruktion unmöglich machen. Ursachen sind ein zu hoher systemischer Blutdruck (der arterielle Mitteldruck sollte unter 100 mm Hg liegen), zu ausgiebige Bursektomie mit dem Shaver (Thermosonde verwenden) und die Blutung aus der A. thoracoacromialis (Kompression durch Fingerdruck und Blutstillung).
- Weichteilschwellungen können die Übersicht und das Handling erschweren. Ursachen sind ein zu hoher Pumpendruck (sollte an den arteriellen Blutdruck angepasst und wenn möglich immer wieder abgesenkt werden) und eine zu lange Operationsdauer (der Ungeübte sollte im Zweifel rechtzeitig zu einer Versorgung in Mini-Open-Technik übergehen).
Postoperative Komplikationen
- Dislokation eines Fadenankers bei zu oberflächlichem Einbringen, Osteoporose oder übersehenen Knochenzysten. Vor dem Knoten sollte der Operateur kräftig an den Fäden ziehen und dabei den Anker beobachten. Im Zweifel einen Anker mit höherem Gewindegang verwenden.
- Sehnenrandnekrose bei unter Spannung erzwungenem Verschluss einer weit retrahierten Sehne und vor allem bei doppelreihiger Naht mit zu vielen Fäden, die den Sehnenrand strangulieren und so die Durchblutung kompromittieren.
- Sekundäre Schultersteife: Nach 6 Wochen ist eine passive Bewegungseinschränkung normal und zu tolerieren – nach 3 oder 6 Monaten spätestens normalisiert sich die Beweglichkeit nach Einheilung der Rotatorenmanschette in der Mehrzahl der Fälle. Eher selten kann bei persistierender, ausgeprägter Steife nach 3–6 Monaten eine endoskopische Arthrolyse in Erwägung gezogen werden.