Arthrodese des Glenohumeral­gelenkes

von Markus Loew, Marc Schnetzke und Sven Lichtenberg
Deutsches Gelenkzentrum Heidelberg

Die Arthrodese des Schultergelenkes ist eine „Salvage Procedure“, d.h. sie bleibt wenigen Indikationen vorbehalten und führt zu einem funktionell bescheidenen Resultat. Nichts desto trotz gehört sie in das Repertoire eines Schulterchirurgen, denn die Versteifung des Glenohumeralgelenkes (GHG) stellt in wenigen Fällen die einzige Möglichkeit dar eine schmerzfreie Situation für den Patienten zu schaffen. Und so paradox es klingt: Die glenohumerale Arthrodese ist die einzige Versteifung eines Gelenkes, die in der Regel zu einer Verbesserung der Funktion und Belastbarkeit der betroffenen Gliedmaße führt.

Wenn nämlich eine Lähmung der glenohumeral wirksamen Muskulatur vorliegt oder die Bewegung im GHG durch Schmerzen unmöglich ist führt die Versteifung dazu, dass über die Bewegung des Schulterblattes auf dem Thorax (Skapulothorakalgelenk) ein schmerzfreies,  zufriedenstellendes globales Bewegungsausmaß erreicht werden kann.

Indikationen

Indikationen zur glenohumeralen Arthrodese sind Situationen mit einer Parese der glenohumeralen Muskulatur

  • Axillarisparese (in Kombination mit einer Insuffizienz der Rotatorenmanschette)
  • Plexusparese z.B. (nach Geburtstraumata)

und Situationen bei denen die knöcherne Grundlage für eine endoprothetische Versorgung nicht geeignet ist

  • massive angeborene oder posttraumatische Glenoiddeformität
  • knöcherner Defekt nach Ausbau einer Schulterprothese
  • massive multidirektionale Schulterinstabilität (z.B. bei Ehlers Danlos Syndrom).

Operationstechnik

In der Operationstechnik konkurriert die Osteosynthese durch Kompressionsplatten mit einer reinen Schraubenosteosynthese. Schlüssel zum Behandlungserfolg, d.h. zu einer knöchernen Fusion, ist die ausreichende Anfrischung der deformierten Gelenkflächen und/oder die Anlagerung von autogenem Knochenmaterial.

Kontroverse Diskussionen betreffen die Position in der das Gelenk versteift werden soll. Weitgehender Konsens besteht darin dass eine leichte Flexion (30° bis 50°), Abduktion (etwa 50°) und Innenrotation (etwa 20°) ein akzeptables Bewegungsausmaß des Armes gewährleisten. Allerdings ist die Orientierung und Ausrichtung der Gelenkflächen während der Operation freihändig schwierig, so dass die gewünschte Position meistens nur angenähert erreicht werden kann.

Funktionelle Resultate

Erwartungsgemäß sind die funktionellen Resultate der glenohumeralen Arthrodese mäßig. In der Regel sind die betroffenen Patienten in der Lage den Arm etwa bis zur Schulterhöhe nach vorne zu führen, bis zur Brustkorbhöhe seitlich abzuspreizen und mit der Hand sowohl das Hinterhaupt als auch das Gesäß zu erreichen.

Die gebräuchlichen funktionellen Scores führen zu schlechten Ergebnissen. Im DASH-Score (Disabilities of Arm, Shoulder and Hand) werden maximal 50% der Normalwerte erreicht (Wagner et al. 2018). 80% der Patienten berichten nach Arthrodese über eine erhebliche Behinderung.

Allerdings sind auch 80% der Operierten mit der Verbesserung der Gesamtsituation im Vergleich zu präoperativ zufrieden (Puskas et al. 2017). Im Constant-Score, der eine Kombination aus funktionellen und subjektiven Parametern zusammenfasst, verbessert sich der Schmerz signifikant während die übrigen Parameter weitgehend unverändert bleiben. Die relativ besten funktionellen Ergebnisse werden nach Lähmungsarthropathien beschrieben (van der Lingen et al. 2018)

Komplikationen

Das Komplikationsspektrum ist erheblich: in einer Multicenterstudie mit dem größten publizierten Kollektiv von 34 Patienten (Puskas et al. 2017) mussten 14 Patienten (41%) wegen Pseudarthrosen oder Fehlheilung innerhalb von zwölf Monaten revidiert werden. Weitere Komplikationen sind Infektionen, periprothetische Frakturen, Implantatlockerungen und Schmerzen in der paraskapulären Muskulatur.

In der Revisionsrate ergeben sich keine Unterschiede zwischen Platten – und Schraubenosteosynthese.

Die niedrigsten Fusionsraten sind nach fehlgeschlagener Endoprothetik zu erwarten – Ursachen hierfür sind die meist erheblichen humeralen und glenoidalen Knochendefekte (Scalise und Iannotti 2008).

Die einzige Rückzugsoption nach glenohumeraler Arthrodese besteht in Einzelfällen in der Implantation einer inversen Prothese. Dieses ist kasuistisch erfolgreich durchgeführt aber bisher nicht publiziert worden.

Fallbeispiel

Ein 59-jähriger Polizist erlitt eine Luxationsfraktur des rechten Schultergelenkes. Erst 12 Wochen nach der Verletzung wurde eine Axillarisparese diagnostiziert. Trotz neurochirurgischer Intervention kam es nicht zu einer Erholung des M. Deltoideus. Ergebnis nach 2 Jahren war ein in Subluxationsstellung schmerzhaftes Schultergelenk (Abb. 1) mit erhaltener minimaler Restbeweglichkeit im GHG so dass auch die Ausgleichbewegungen durch das Schulterblatt massiv Schmerzen verursachten.

Im März 2020 erfolgte daher eine glenohumerale Fusion mit Schraubenosteosynthese wobei die Gelenkflächen angefrischt und eine epiphysär entnommene Knochenscheibe zwischen Humeruskopf und Akromion angelagert wurden (Abb. 2). Die Schulter wurde anschließend in einem Abduktionskissen für 6 Wochen ruhig gestellt wobei die angrenzenden Gelenke physiotherapeutisch behandelt wurden.

Vier Monate nach der Operation ist der Patient weitgehend schmerzfrei. Bei noch erst beginnender knöcherner Konsolidierung (Abb. 3) beträgt das Bewegungsausmaß in Flexion 80°,  Abduktion 60° und der Patient ist in der Lage Hinterhaupt und Gesäß mit der Hand zu erreichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt empfindet er die Situation gegenüber präoperativ als signifikant verbessert.

Fazit

Die glenohumerale Arthrodese stellt ein Verfahren mit eingeschränkter Erfolgserwartung („Limited Goal“) dar, das in verzweifelten Ausgangssituationen eine mäßige Funktion des Armes bei zuverlässig erreichbarer Schmerzlinderung ermöglicht. Sie bleibt daher wenigen Ausnahmeindikationen die vorbehalten.