Hüftdysplasie/Hüftluxation/neurogene Hüftdezentrierung

Die angeborene Hüftdysplasie entsteht durch eine Reifungsstörung des Hüftgelenkes bereits im Mutterleib. In einigen Fällen wird sie daher auch schon im vorgeburtlichen Ultraschall erkannt. Die Häufigkeit der Dysplasie ist zwischen Ländern sehr unterschiedlich und wird in Mitteleuropa mit ungefähr 2-4% angegeben. Damit stellt somit die häufigste orthopädische Erkrankung im Neugeborenenalter dar. Durch eine Fehlanlage der Hüftpfanne kann sich der Hüftkopf aus dieser entfernen, sich damit die Überdachung des Kopfes verschlechtern, und im Extremfall resultiert eine Luxation (Auskugeln des Hüftkopfes aus der Gelenkspfanne) Hüftgelenksluxationen kommen in etwa 0,5–1% vor. Neben der angeborenen Hüftdysplasie gibt es auch andere Erkankungen, die durch einen anderen Mechanismus zur Verschlechterung der Überdachung des Hüftkopfes, sowie im Extremfall zur Luxation führen können. Dies sind entweder neurologische Erkrankungen (infantile Cerebralparese, Myelomeningocele) oder Erkrankungen, die das Bindegewebe betreffen (z.B. auch beim Down-Syndrom).

Anders als bei der angeborenen Hüftdysplasie kann sich bei neurologischen Erkrankungen die Hüfte auch dann verschlechtern, wenn sie bei der U3, bei der eine angeborene Hüftdysplasie normalerweise spätestens per Ultraschall festgestellt wird, „normal“ war. Deshalb müssen sowohl Kinder mit einer diagnostizierten und behandelten angeborenen Hüftdysplasie, als auch Kinder mit neurologischen oder syndromalen Erkrankungen im Wachstum regelmäßig überwacht werden.

Symptome

Eine Hüftdysplasie macht erst spät Beschwerden. Im Neugeborenenalter sind klinische Test auf Hüftdysplasie und Hüftluxation eher unspezifisch, so dass in Deutschland und Österreich im Rahmen eines Hüftdysplasiescreenings bei der U3 per Ultraschall auf diese Erkrankung untersucht wird. Eine Hüftluxation kann sich beim Gehen durch ein auffälliges Gangbild bemerkbar machen, sollte sie aus irgendeinem Grund im Neugeborenenalter nicht erkannt oder behandelt worden sein. Eine Hüftdysplasie macht ansonsten in der Regel erst Probleme, kurz bevor, oder wenn es zu einem Schaden an der Hüfte gekommen ist. Da langfristig die Hüftdysplasie und die Hüftdezentrierung aus anderen Gründen zu einem Schaden des Gelenkes bis zur frühzeitigen Arthrose führen können, ist eine Früherkennung und -behandlung äußerst wichtig.

Diagnostik

Im Neugeborenenalter wird die Dysplasie per Ultraschall diagnostiziert. Mit dem Auftreten des Hüftkopfkerns wird der Ultraschall dann vom Röntgen abgelöst. Das MRT ist derzeit noch keine Alternative zur Diagnose der Hüftdysplasie, wird aber in schweren Fällen mitunter mit herangezogen. Ist es bereits zu Schäden des Hüftgelenkes gekommen, wird eine MRT-Arthrographie notwendig. Die Computertomographie ist nur in Ausnahmefällen zur Therapieplanung notwendig, und dann auch nur bei Erwachsenen.

Behandlung

Die Behandlung erfolgt je nach Schweregrad der Erkrankung und dem Alter, in dem die Erkrankung diagnostiziert wird. Beim Neugeborenen reicht die Behandlung vom Beobachten und erneuten Ultraschall über spezielle Schienen, bis hin zur Gipsbehandlung. Im Falle eines Versagens ist selten auch eine Operation notwendig. Bei einer festgestellten Hüftdysplasie wird bis zum Wachstumsabschluss kontrolliert. Überschreitet die Dysplasie ein gewisses Maß, oder droht gar die Hüftluxation (in der Regel bei neurologischen Erkrankungen), wird eine Operation empfohlen, die sich nach Alter und Schweregrad richtet. Ziel ist es, das frühzeitige Auftreten einer Arthrose zu verhindern. Auch bei Jugendlichen und Erwachsenen kann es vorkommen, dass wegen Beschwerden oder zufällig eine Dysplasie entdeckt wird. Auch hier kann mitunter eine Operation notwendig werden, um den frühzeitigen Verschleiß des Gelenkes zu verhindern.

Operation

Im Neugeborenen- und Säuglingsalter erfolgt in der Regel nur eine Operation, wenn die konservative Therapie versagt. Dann erfolgt eine offene Einstellung des Hüftgelenkes, es schließt sich eine Gipstherapie an.

Im Kleinkindalter kann eine schwere Dysplasie oder eine neurogene Erkrankung eine Operation notwendig machen. Dann wird in der Regel ein Eingriff am Knochen durchgeführt, der die Dysplasie beheben soll. Auch übersehene oder erst später aufgetretene Hüftluxationen können bis zum Alter von 8 Jahren noch operativ behandelt werden. Danach wird die Prognose der operativen Behandlung der Hüftluxation deutlich schlechter.

Im Kindes- und Jugendalter sowie auch im Erwachsenenalter können bei Beschwerden, aber auch bei schweren Dysplasien Operationen empfohlen werden, um die Notwendigkeit eines Kunstgelenkes zu verhindern oder zu verzögern. Ab dem Alter von 40 Jahren und bei Vorliegen von Arthroseerscheinungen resultieren bei gelenkerhaltenden Eingriffen deutlich schlechtere Ergebnisse.

Typische Operationen bei Hüftdysplasie/Hüftluxation/neurogener Hüftdezentrierung:

  • Offene Einstellung der Hüfte (Säuglinge)
  • Derotationsvarisationsosteotomie (Kleinkinder/Schulkinder)
  • Azetabuloplastik (z.b. nach Dega)
  • Becken-Triple-Osteotomie (ab etwa 8 Jahren)
  • Periazetabuläre Osteotomie nach Ganz (PAO, nach Verschluss der Beckenwachstumsfuge)

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung hängt vom Alter des Kindes und dem Eingriff ab. Mit Ausnahme von Operationen bei Säuglingen ist ein Becken-Bein-Gips glücklicherweise bei den allermeisten Eingriffen nicht notwendig. Auch bei Kleinkindern können Schaumstofflagerungssysteme angewendet werden, die zum einen eine verbesserte Hygiene als auch eine verbessert Frühmobilisation erlauben. Eine langfristige Ruhigstellung, die für die Kinder meist sehr schwer zu ertragen ist, ist heutzutage nicht mehr notwendig. Ziel ist, die Kinder frühzeitig wieder ins Sitzen zu mobilisieren. Je nach Alter sind Entlastungsphasen von 3-6 Wochen notwendig. Danach ist bei kleinen meist sofort eine Vollbelastung möglich. Bei älteren Kindern erfolgt die Entlastung oder Teilbelastung an Unterarmgehstützen. Die Wiederaufnahme von Sport hängt vom Eingriff und dem Alter der Kinder ab.

Ergebnisse und Risiken

Das Ziel der Behandlung ist es, frühzeitige Schäden am Hüftgelenk zu verhindern. Trotz großer Fortschritte in der Endoprothetik sollte es das Ziel sein, das eigene Gelenk so lange wie möglich zu erhalten, Schmerzen vorzubeugen, und ein Leben ohne Einschränkungen zu ermöglichen. Daher sollte wenn möglich eingegriffen werden, bevor ein Schaden am Gelenk entsteht. Die Eingriffe haben in der Regel ähnliche Risiken, was Infektionen, fehlende Knochenheilung, sowie Nervenschäden anbetrifft, wobei das Risiko mit zunehmendem Lebensalter zunimmt, jedoch immer noch sehr gering bleibt.

Bei allen Eingriffen handelt es sich um Operationen, die von einem erfahrenen Kinderorthopäden durchgeführt werden sollten, da hierdurch die Operationszeit deutlich reduziert werden kann. So sind mitunter auch beidseitige Eingriffe möglich, um eine zweite Narkose zu verhindern.